Das sind keine guten Nachrichten zum Wochenstart: Das Café Schwan im Medienhafen macht dicht. Der Mietvertrag wird nicht verlängert. Im September ist an der Hammer Straße schluß – Frau Schwan sucht jetzt einen neuen Standort. Sie wundert sich über die Nicht-Verlängerung. Künftig wird wohl Konstantin Karabatziakis dort gastronomieren. Ihm gehört auch schon das Bug, die Meerbar und das Gehry’s. Das finde ich persönlich sehr traurig – alle normalen Läden scheinen zu verschwinden. Der Minol-Nachfolger Leuna Bar hat auch schon die Segel gestrichen. Nachbar Smits Blumen mußte auch umziehen; über einen neuen Mietvertrag wurde mit dem Blumenhändler erst gar nicht verhandelt. Hier wird es wohl bald auch schicke Luxusgastronomie geben. (via Zeitung – leider nicht online)
Leser-Interaktionen
Tipps
Was hat dich in diesem Jahr im Netz begeistert?
Greta Thunberg und die Deutsche Bahn. Keine Sorge, über die Bahnfahrt werde ich jetzt nicht auch noch Zeilen verlieren. Wir konnten die letzten Tage aber mal wieder ein ermüdendes Phänomen beobachten: Statt über die wichtigen Dinge zu reden (in dem Fall: Ergebnisse des Weltklimagipfels), übernimmt eine Nebensächlichkeit (in dem Fall: Zug von Greta Thunberg war voll) nicht nur sämtliche Diskussionen in sozialen Netzwerken, sondern auch die Medien. Am Ende sind alle genervt. Wirklich alle.
Das ist nicht das einzige Phänomen, was mir in letzter Zeit die Freude am Netz raubt. Twitter und andere Netzwerke sind zu Diskussions-Maschinen geworden, auf denen in Wirklichkeit nicht miteinander diskutiert wird. Jeder möchte nur seine Meinung durchdrücken. Eine Netz-Müdigkeit bei Mitlesern zu beobachten, und ihnen nicht zu verübeln.
Eine komplette Abstinenz ist für einige die Antwort — aber gibt man dann nicht auch die vielen Vorteile des Netzes auf? Das käme für mich nicht in Frage. Ich glaube: Wer sich beim eigenen Netz-Konsum treiben lässt, wird irgendwann von den nervenden Phänomenen überrollt. Wer sich aktiv um seinen Netz-Konsum kümmert, kann dem vorbeugen.
Also was tun? Ich klaue mir etwas von einem guten Community-Management. Gute Community-Manager*innen beschäftigen sich nicht nur mit ihren Problemfällen, sondern auch mit denen, die Gutes in die Community bringen. So wird Positives bestärkt und das gibt ein klares Signal in die Community. Dieses Prinzip will ich jetzt auch auf meinen persönlichen Netz-Konsum anwenden.
Nehmen wir einmal Twitter. In Workshop wird Twitter als wertvolles Tool zur Kommunikation vorgestellt. Oder auch, dass es dort Inspiration gibt und man viel früher auf Nachrichten stößt. Sieht so Ende 2019 deine Twitter-Realität aus? In den meisten Timelines vermutlich nicht. Es gibt nicht wenige laute Stimmen, die in Wirklichkeit immer das gleiche twittern, immer über die gleichen Dinge meckern und bei denen man die Tweets eigentlich schon vorschreiben kann.
In den letzten Monaten habe ich möglichst vielen Personen auf Twitter gefolgt (18.100 um genau zu sein), um möglichst viele unterschiedliche Stimmen sichtbar zu machen. Das hat aber für mich nicht funktioniert. Ich werde mich von sehr vielen Followern trennen und sogar noch weniger Personen folgen, als vor dem Experiment. Die entscheidende Frage wird sein: Inspiriert, unterhält oder lerne ich bei diesem Account etwas.
Zum aktiven Gestalten des eigenen Netz-Konsums gehört für mich auch, von Zeit zu Zeit zu reflektieren, was mich im Netz begeistert hat. Die Frage möchte ich an dich weiterleiten: Welcher Youtube-Kanal, welches Blog, welcher Twitter-, Tiktok- oder Instagram-Account hat dich begeistert? Weil die Macher*innen ungewöhnliche Dinge machen, oder sich um ein Thema besonders intensiv oder konstruktiv kümmern? Dann schlag doch diese Projekte für eine Nominierung bei den Goldenen Bloggern vor.
Auch in diesem Jahr wollen wir wieder den positiven Seiten des Netzes eine Bühne bieten. Es gibt nicht wenige Menschen, die dafür sorgen – egal ob aus Spaß, mit viel Idealismus oder mit großem Zeiteinsatz. Bis zum 12. Januar könnt ihr eure Vorschläge in knapp 20 Kategorien abgeben. Wir suchen die besten Blogs, Podcasts, Instagram-, Tiktok- und Twitter-Accounts. Am 09. März 2020 gibt es dann die Preisverleihung in Berlin. Es macht jedes Jahr große Freude, wenn man denen ein ganz bisschen was zurückgeben kann, die für die guten Seiten im Netz sorgen. Was hat dich in diesem Jahr im Netz begeistert? Ich würde mich freuen, wenn du es uns verrätst.
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5 Tipps für eure Social-Media-Strategie 2020

Laufen bei euch schon die Planungen für 2020? Ich habe schon Revue passieren lassen, welche Entwicklungen im Social-Media-Bereich mich auf der Arbeit und in den Workshops in den letzten Monaten beschäftigt haben. Bei einigen großen und kleinen Medien habe ich so einige Dinge beobachtet, die 2020 geändert gehören. Hier sind einige Anregungen für eure Social-Media-Strategie im nächsten Jahr.
- Gebt Facebook nicht auf
In meinen Workshops lasse ich die Teilnehmer gerne Facebook-Airchecks machen. Sie analysieren dabei die unterschiedlichsten Medienmarken. Was auffällt: Nicht wenige Marken haben ihre Pages aufgegeben. Sie schleudern die Links zu ihren Artikeln raus, ohne groß die Nutzer anzusprechen. Meist agieren sie nachrichtlich, wenig empathisch, manchmal sogar lediglich automatisiert. Spätestens wenn nicht mal kontrolliert wird, ob bei Hochkantfotos die Gesichter abgeschnitten werden, ist das eine Beleidigung für die Nutzer. Wir dürfen nicht vergessen: 31% der Deutschen nutzen jede Woche Facebook, die meisten davon täglich. Selbst bei den Unter-30-Jährigen sind es sogar 48%. Nur Messenger haben eine größere Verbreitung. Wir haben bei der Rheinischen Post die Erfahrung gemacht: Es lohnt sich viel Mühe für die Bespieglung der eigenen Seiten zu machen. Unser monatlicher Social-Traffic ist auf Rekordkurs (ja, trotz Newsfeed-Algorithmus-Änderungen). - Gebt jedem Kanal einen eigenen Fokus
Einfach die Nachrichtenlage abdecken? Einfach das machen, was man schon auf Facebook macht? Social-Media-Kanäle funktionieren nicht (mehr), wenn man einfach alle eigenen Themen raushaut. Jeder Kanal braucht einen eigenen Fokus. Egal ob Plattform, Podcast oder Messenger-Format. Im besten Fall habt ihr für jeden Kanal einen Erklärsatz: Dieser beinhaltet das Thema, die Inhalte und welches Bedürfnis der Nutzer dabei gestillt wird. Das hilft euch bei der Auswahl der Themen und der Ausrichtung des Kanals. - Unterschätzt LinkedIn und Xing nicht
Beide Netzwerke haben in den letzten Monaten stark im Content-Bereich aufgerüstet. Es gibt nicht wenige Kommunikatoren, die ihre Themen weniger auf Facebook und mehr auf diesen Plattformen spielen. Bei der ganzen Aufmerksamkeit für Instagram, TikTok und Podcasts sollte noch mal dran erinnert werden: Für bestimmte Themenwelten sind LinkedIn und Xing wichtige und interessante Kanäle. - Kalkuliert eure Zeit realistisch
Im Kern einer guten Social-Media-Strategie steht eine realistische Einschätzung des eigenen Zeitbudgets. Oft scheitern Strategien nicht an mangelnden Ideen, sondern an einer halbherzigen Umsetzung. Die Frage ob man auf einer Plattform aktiv sein sollte oder nicht, sollte als von der eigenen Zeit abhängen. Manchmal ist es klüger, einem bestehenden Kanal mehr Aufmerksamkeit zu schenken, statt auf eine neue Plattform zu gehen. - Habt Spaß mit TikTok
„Sollen wir selbst auf TikTok aktiv sein?“ – „Was sollen wir eigentlich auf TikTok machen?“ — diese Fragen geistern gerade durch viele Redaktionen. Meine Punkte 1 und 4 geben schon Futter für eine mögliche Antwort. Derzeit sind wir bei TikTok in einer ähnlichen Phase wie bei Snapchat 2016, bevor Instagram den Story-Bereich kopierte. Nutzer der eigenen Medienmarke erreichen wir auf TikTok derzeit nicht – aber jetzt ist die Zeit zu beobachten, zu lernen und auszuprobieren. Es kann gut sein, dass dieses Wissen wichtig für digitales Storytelling wird. Vielleicht brauchen wir dieses Wissen künftig bei TikTok, vielleicht auch in einer anderen App. Den passenden Kontext zu TikTok liefert derzeit das Social-Media-Watchblog. In den letzten Ausgaben des Newsletters ging es auch um die gesellschaftlich-kritischen Fragen.
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Auf diese zwei neuen Funktionen bin ich 2020 bei Facebook gespannt
Ausgerechnet die Tech-Kritik des ehemaligen Borat-Darstellers macht gerade die Runde. Sacha Baron Cohen will die Demokratie vor Facebook, Google & Co. schützen. Er ist spät zur Party der Silicon-Valley-Kritiker. In den letzten Wochen und Monaten ist sie zudem deutlich leiser geworden ist. Tik Tok und der Einfluss der chinesischen Regierung bestimmen mittlerweile die Diskussion. Das dürfte vor allem Facebook in die Karten spielen, immerhin stand das Unternehmen von Mark Zuckerberg in den letzten beiden Jahre im Zentrum der Kritik.
Trotz gesellschaftlicher Kritik, liefert der Konzern seinen Aktionären gute Zahlen, was Umsatz und Gewinn angeht. Aber auch die Nutzung der Apps ist weiterhin beeindruckend und marktbeherrschend. Es lohnt sich genauer anzuschauen, in welchen Bereichen Facebook neue Funktionen entwickelt. Dort verspricht sich das Unternehmen Wachstumspotential. Kein Wunder, dass die meisten Neuheiten der letzten Zeit auf Instagram eingeführt wurden. Neue Shopping-Funktionen, eine überarbeitete Kamera, viele Filter, weitere Funktionen für IGTV und den Storybereich.
Aber auch in der klassischen Facebook-App gibt es Neuerungen. Behutsam wird die Optik verändert. Für 2020 erwarte ich zwei neue Funktionen in Deutschland, die besonders interessant sind. „Today in“ und „Facebook News“ sind in den USA schon am Start und die Chancen stehen nicht schlecht, dass diese Funktionen auch bei uns ausgerollt werden. Deswegen stelle ich sie euch vor.
1. „Heute in Berlin“ — Bleibe auf dem Laufenden bei Nachrichten und Diskussionen in deiner Stadt. Bereits im Oktober 2018 hat Facebook die neue Funktion in einigen US-Städten eingeführt und dann Schritt für Schritt ausgeweitet. Mitte September hatte Facebook zuletzt 6000 teilnehmende Städte und Gemeinden genannt. (Zuvor hat Facebook eine Analyse veröffentlicht, dass es in vielen US-Städten keinen richtigen Lokaljournalismus mehr gibt.)
Das kann „Heute in“: Wenn ihr in einer Stadt seid, die das „Heute in“-Feature hat, könnt ihr das über das Menü sehen. Dann wird „Today in“ in der Funktionsliste aufgeführt. Wenn ihr die Funktion ausgewählt habt, könnt ihr auch einstellen, die Box (siehe Foto) in eurem Newsfeed auftauchen zu lassen. Die Funktion besteht aus drei Bereichen.

- In der ersten Box werden aktuelle Postings von Seiten gezeigt, die in dem Ort eine Rolle spielen. Das kann das örtliche Tierheim sein, genauso wie die Facebook-Seite der Oberbürgermeisterin. Man wischt sich von links nach rechts.
- Die zweite Box heißt im Englischen „In The News“ und liefert: Nachrichten. Es werden zunächst fünf Artikel zusammengestellt, die von lokalen Nachrichtenanbietern veröffentlicht worden sind. Es gibt eine Option für weitere Nachrichten.
- Im dritten Bereich stehen Gruppen im Fokus. Facebook listet lokale Gruppen auf und lädt die Nutzer auf, sich mit Nachbarn zu verbinden, die gemeinsame Interessen haben.
Was das für Nutzer bedeutet: Was passiert in meiner Nachbarschaft? Diese Frage wird in diesem Bereich beantwortet und die Quellen müssen nicht einmal vorher ausgesucht und abonniert werden. Facebook sucht lokale Seiten, Nachrichtenquellen und Gruppen zusammen und bündelt die Inhalte.
Was das für Inhalte-Anbieter bedeutet: Wer mit lokalen Inhalten arbeitet hat hier eine riesige Chance. Facebook zeigt die Inhalte dann auch Nutzerinnen und Nutzern, die dem eigenen Angebot noch nicht folgen. Facebook übernimmt aber auch immer mehr die bisherige Aufgabe einer lokalen oder regionalen Medienmarke, die einen lokalen Überblick geben möchten. Auf der anderen Seite dürften kleine Anbieter sichtbarer werden.
Was das für Facebook bedeutet: Das Netzwerk reagiert damit auf viele Erhebungen die zeigen, dass Nutzer tatsächlich mehr lokale und regionale Inhalte auf Facebook sehen möchten. Ein weiterer Vorteil: Wer sich mit lokalen Inhalten beschäftigt, fühlt sich informierter, produktiver, engagierter. Damit wertet Facebook seinen Newsfeed auf. Zu Hochzeiten des Viral-Contents hatten viele Nutzer das Gefühl ihre Zeit auf Facebook zu verschwenden (siehe Time Well Spent Diskussion).
2. Facebook News — ein Ort für Nachrichten. Vor zwei Monaten hat Facebook diesen Bereich in den USA freigeschaltet.

Das kann „Facebook News“: Der neue Bereich hat aktuell einen präsenten Platz in der Facebook-App. Direkt neben dem Home-Button (persönlicher Newsfeed) und dem Videobereich gibt es das Icon für „Facebook News“.
- Der allgemeine Nachrichten-Überblick: Facebook hat eine Redaktion aufgebaut, die Geschichten auswählt, um die Nachrichtenlage möglichst adäquat abzudecken. Ziel ist es, die Nachrichtenquelle zu zeigen, die eine Geschichte zuerst veröffentlicht hat.
- Die persönlichen Empfehlungen: Basierend auf Artikeln die Nutzer bereits gelesen, geteilt oder kommentiert haben, werden hier passende weitere Artikel von einem Algorithmus ausgewählt.
- Zugriff auf Abos: Wer ein Digital-Abo bei einem Newsanbieter abgeschlossen hat, kann sein Abo mit dem Facebook-Account verbinden und so direkt über die Facebook-App die Inhalte sehen und lesen.
- Einstellungsmöglichkeiten: Der Nachrichtenbereich lässt sich personalisieren. Nutzer können Themenfelder auswählen (Sport, Kultur, Wirtschaft …) und Nachrichtenquellen ausblenden.
Was das für Nutzer bedeutet: Der Name „Newsfeed“ ist ja schon immer irreführend gewesen. Auch wenn dies von Facebook ursprünglich nicht explizit vorgesehen war, wurden im „Newsfeed“ gerne Inhalte von Medien konsumiert. Für viele Nutzer ist Facebook zu einer wichtigen Quelle des Nachrichtenkonsums geworden. Mit dem neuen News-Bereich haben Nutzer Zugriff auf Inhalte von Medien, denen sie bisher noch nich gefolgt sind. Im klassischen Newsfeed bleiben die Inhalte von Seiten, denen man folgt.
Was das für Inhalte-Anbieter bedeutet: Es ist noch zu früh, um etwas über mögliche neue Leserschaften zu sagen. Die Verknüpfung mit bestehenden Digital-Abos ist charmant. Auf jeden Fall sollte jeder Nachrichtenanbieter sich darum kümmern, seine eigene Seite für den „News Page Index“ zu registrieren.
Was das für Facebook bedeutet: Vor einigen Jahren hatte Facebook bereits eine eigene App für Schlagzeilen entwickelt. Die fand kaum Anklang und verschwand wieder. Jetzt muss der Konzern abwarten, ob „Facebook News“ auch bei den Nutzern ankommt. Das Timing scheint besser zu sein. Die prominente Einbindung dürfte dem neuen Produkt helfen. Wenn „Facebook News“ auch in Deutschland ausgerollt wird, dürfte die Nutzung in den USA erfolgversprechend sein.
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Warum Comic Sans besser als ihr Ruf ist

Vor 25 Jahren ist eine Ikone des Internets erfunden worden. Oder soll ich sagen, ein Hassobjekt? Es geht um die Schriftart Comic Sans MS, oder wie wir Typofreaks sie nennen: Comic Sans. Ich kann mich noch an Kanada erinnern. Der Nationalfeiertag vor ein paar Jahren. Das Land hat eine 25-Cent-Gedenkmünze herausgegeben, mit Comic Sans als Schriftart. Damit wollte man den spielerischen Humor, der den Kanadiern oft zugeschrieben wird, unterstreichen. So war die Begründung.
Wir machen uns oft über den Einsatz lustig. Das habe ich gespürt, als ich vor ein paar Wochen auf Twitter fragte, was denn euer Verhältnis zu Comic Sans ist. Parniean fragte mich, ob ich noch keinen Kaffee hatte. Elbblick wollte mich blockieren und entfolgen. Von CookMal kam ein ablehnendes “Bitte nicht.” Mick so: “Bestens. Ich amüsiere mich jedes Mal wenn sie irgendwo auftaucht.” Christina schickte mir das Bild von einer Tasse auf der steht: “Wenn ich alleine bin, nutze ich Comic Sans.” Andreas schrieb: “Am liebsten in gelb auf weißem Hintergrund gedruckt.” Sebastian twitterte noch: “Tolle Schriftart für Aushänge im Flur, dass es bei der Party am Wochenende etwas lauter wird!” Supatyp: “Und da war noch der Unityp, der eine Hausarbeit in Comic Sans nicht annahm.” Verstehe ich auch nicht. Festraum schrieb: “Comic Sans – eine Geschichte voller Missvertändnisse.“ Das trifft es ganz gut.
Als Erfinder gilt Vincent „Vinnie“ Connare. Im Jahr 1994 hat er die Schrift erfunden. Ursprünglich sollte diese Schriftart in Sprechblasen der Software Microsoft Bob eingesetzt werden, um die Nutzer besser durch das Programm zu führen. Damals war noch Windows 3.1 angesagt und Bob sollte ein Ersatz für die graphische Oberfläche werden. Das Problem: Nach Fertigstellung der Schrift kam heraus, dass die Texte nicht in die Sprechblasen passten, weshalb die Schrift nicht verwendet wurde. Ihren ersten Einsatz hatte sie erst 1995 im 3D Movie Maker. Seit ihrer Auslieferung mit dem Plus!-Paket von Windows 95 gehört Comic Sans MS zu den Standardschriftarten des Microsoft-Betriebssystems. Heute gehört die Comic Sans zu den Kernschriftarten – sowohl bei Windows als auch beim Mac.
Vor allem in Designerkreisen ist die Schrift verpönt. Sie ist so stark verbreitet, dass sie auch zu Anlässen benutzt wird, die vielleicht nicht unbedingt zwangsläufig angebracht sind. Stichwort: Grabstein. Die Welt Kompakt beschrieb die Comic Sans als den Justin Bieber der Schriften. Nutzer lieben die Schrift. Bringt sie doch ähnlich, wie die laut Welt „Retortenpopsongs Bibers, eine kindliche Leichtigkeit mit sich, der man sich nur schwer entziehen kann. Comic Sans wurde das “Love Yourself” der späten 90er-Jahre: omnipräsent und weltweit bekannt.“ Es gab sogar richtige, ernstgemeinte Kampagnen gegen den inflationären Einsatz von Comic Sans. Laut Welt Kompakt hat sich sogar der Erfinder angeschlossen: „Genauso wie man Justin Bieber nur wohl dosiert vertragen könne, ist dem wohl auch mit Comic Sans. Manche Dinge ließen sich eben nur in einem bestimmten Kontext und in geringer Dosis ertragen.“
Aber es gibt auch Verfechter der Comic Sans. Zum Beispiel die Betreiber der Webseite comicsanscriminal.com. Die verspricht: “Hilfe für Menschen wie dich und mich, um die Schrift richtig einzusetzen.” Es gibt demnach verschiedenen Anlässe, wann Comic Sans die richtige Schrift ist:
- Wenn die Zielgruppe unter 11 Jahre ist
- Wenn du ein Comic erstellst
- Wenn die Zielgruppe eine Leseschwäche hat
- Wenn die Zielgruppe dir sagt, dass sie Comic Sans ganz gut findet
Comic Sans kann tatsächlich vielen Menschen mit Leseschwäche helfen, Texte besser zu erkennen. In einem Text der Süddeutschen Zeitung wird von Jessica Hudgins berichtet. Wegen ihrer Legasthenie fällt es ihr schwer, Texte in Times New Roman zu lesen. Sie konnte mit ihren Klassenkameraden immer dann locker mithalten, als sie die Arbeitsblätter der Schule herunterladen konnte und dann die Schrift vergrößerte und auf Comic Sans stellte. Ihre Schwester Lauren war sauer auf das schlechte Image im Netz und machte in einem Blogtext ihrem Ärger Luft. Sie forderte andere Internet-Nutzer auf, den „elitären und herablassenden“ Spott sich doch bitteschön sonst wohin zu stecken. Die Verteidigungsrunde wurde zum Viral-Hit.
Michaela Mayer ist diplomierte Legasthenietrainerin und Vorstandsmitglied des Dachverbands Legasthenie Deutschland (DVL). In der Süddeutschen bestätigte sie diese Feststellung: „Für manche Betroffene spielen Schriftart und Farbe eine große Rolle.“
Am Ende lebt die Comic Sans auch von dem Spott. Es wäre falsch, sich nicht auch ein wenig über kuriose Einsätze lustig zu machen. Aber zumindest sollten wir auf den Schirm haben, welchen Dienst diese Schriftart erweist. Und das nun seit immerhin 25 Jahren.
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Zwischen Missverständnissen und Übertreibung: Eine kleine Einführung in das Thema Clickbait

Was ist eigentlich Clickbaiting? Häufig diskutiere ich die Frage in Workshops mit jungen Journalistinnen und Journalisten. Selbst große Tech-Konzerne haben mit der Antwort auf diese Frage so ihre Schwierigkeiten, wie wir in den letzten Tagen erfahren haben. Der Bedarf an Nachhilfe scheint auch im Jahr 2019 noch groß zu sein. Also habe ich heute eine kleine Einführung in das Thema Clickbaiting für euch.
OMG! Du flippst aus, wenn du hörst, was Justin Bieber für 2020 geplant hat!
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Dieses Video hat mich zu Tränen gerührt, aber was bei Sekunde 7 geschah, hat mein Leben verändert
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Ein junger Fan bricht in Ronaldos Hotelzimmer ein. Du errätst nie, was dann geschah!
Der Ursprung: Upworthy, BuzzFeed, Huffington Post haben eine Kunst draus gemacht — Focus Online, Hefti.co und so manche Boulevard-Marken werden auch mit Clickbait in Verbindung gebracht. Ihnen haben wir das Thema zu verdanken. Historisch gehen die Mechanismen auf die Yellow Press (vgl. Mathew Ingram) zurück: Reißerische Überschriften sollten zum Kauf der Zeitung reizen. Das funktioniert heute in der Klatschpresse noch wunderbar, wie Topf voll Gold mit aller Geduld dokumentiert.
Der Kampf gegen Clickbait: „Wir haben ein Monster von der Leine gelassen. Sorry dafür. Sorry, dass wir das Internet im letzten Jahr kaputt gemacht haben. Ich freue mich, dass wir uns künftig von Clickbait verabschieden“, tönte Upworthy-Mitgründer Peter Koechley bereits 2014 (vgl. Buisness Insider), als sein Unternehmen die Flucht nach vorne antrat. Der Grund: In dem Jahr ging Facebook intensiv gegen die Methode vor. Wenn Nutzer besonders wenig Zeit mit dem Inhalt verbringen oder besonders wenige Kommentare oder Likes zurücklassen, sind das für Facebook Indikatoren für Clickbait. Eine Drosselung des Posts war dann die Folge. Später kam noch eine Text-Erkennung von typischen Clickbait-Formulierungen hinzu. Mittlerweile werden Facebook Pages, die wiederholt gegen die Clickbait-Regeln des Netzwerks eingestuft werden, sogar komplett gedrosselt.
Das größte Missverständnis: Nicht selten von Journalisten, oft aber auch von Leserinnen und Lesern hört man über viele Online-Überschriften den pauschalen Vorwurf „Ach, das ist doch Clickbait“. Sie versuchen ein Problem zu artikulieren, erwischen aber den falschen Begriff. Meist zu Themen, zu denen sie eine andere Haltung haben, als sie in dem Artikel wiederfinden. Der Clickbait-Vorwurf muss häufig für all das vorhalten, was im Online-Journalismus schief läuft.
Unterschiedliche Sichtweisen: Ben Smith, Chefredakteur von BuzzFeed, erklärte schon 2014 warum sein Medium kein Clickbait betreibe. Hinter einer Überschrift wie „36 Hunde, die zugleich bezaubernd und eigenartig sind“ gibt es eben 36 Hunde. Die Niedlichkeit liegt im Auge des Betrachters. Facebook macht hingegen Clickbait davon abhängig, wieviele Informationen die Nutzerinnen oder der Nutzer erhält, was ihm beim Klick auf den Link erwartet. Eine interne Facebook-Umfrage soll ergeben haben, dass 80% der Nutzer vor dem Klick entscheiden möchten, ob sie einen Text lesen wollen, und nicht erst nach dem Klick. Dann gibt es noch die politische Komponente: Egal ob rund um Breitbart News oder Gawker Media, gibt es noch eine gefährliche Mischform zwischen klassischen Clickbait und der Verbreitung von Fake News. Aber das führt jetzt zu weit.
Was ist denn nun Clickbaiting?
I scroll around, but when I look at the internet, I feel the same as when I’m walking through Coney Island. It’s like carnival barkers, and they all sit out there and go, “Come on in here and see a three-legged man!” So you walk in and it’s a guy with a crutch.
Jon Stewart im New York Magazine, als er auf BuzzFeed und Vice News angesprochen wird
Das ist kein Clickbait:
- Wenn die Vorschau —egal ob Teaser oder Facebook-Posting— nicht die komplette Geschichte erzählt. Eine gute Vorschau erzählt nicht die komplette Geschichte, sondern macht die Leser neugierig und lässt eine Frage offen. Sie erfüllt aber im Anschluss diese Neugierde. Das ist der entscheidende Unterschied.
Das ist Clickbait:
- Definition im Wörterbuch: something (such as a headline) designed to make readers want to click on a hyperlink especially when the link leads to content of dubious value or interest (vgl. Merriam Webster; in dieser Definition erstmals bekannt seit 1999).
- Falsche Werbung.
- Clickbait erweckt eine falsche Erwartung. Eine, die beim Lesen des Artikels, nicht erfüllt wird.
- Clickbait schafft eine zu höhe Fallhöhe, die die Erwartungen des Lesers bei der Lektüre aufprallen lassen.
- Die Geschichte ist (unnötig) viele Absätze lang und ließe sich aber auch in einem Satz zusammenfassen …
- … oder relativiert sich im letzten Satz.
- Überschriften die eine Frage formulieren, die nach dem Klick nicht wirklich beantwortet werden.
Kurzfristiger Gewinn — Langfristiger Schaden: Schnell zusammengeschriebene Artikel die sämtliche Viral-Mechanismen bedienen, bringen zwar kurzfristig hunderte oder tausende Klicks, vielleicht sogar am Ende deutlich mehr. Aber mit jedem Klick steigt der Frust der Leserschaft. Irgendwann kommen die Nutzer nicht mehr zurück. Irgendwann ist der Pool an Nutzern erschöpft, die auf Clickbait reinfallen. Zurück bleibt ein immenser Vertrauensverlust.
Die Zukunft von Clickbait: Auch wenn Facebooks Regeln und die Abkehr von Reichweiten als primäres journalistisches Geschäftsmodel zum Abschwung von Clickbait geführt haben, ist es immer noch Thema. In den für die Anbieter lukrativen und verkauften Teaser-Sammlungen unter Nachrichtenartikeln (fast jede große dt. Nachrichtenseite macht mit) gibt es häufig eine moderate Form von Clickbaiting auf externe Artikel (vgl. Niemanlab). Außerdem spielen einige Medien, die gerade neue Paidmodelle etablieren mit Clickbaiting, um die Leserschaft zu einer Registrierung zu bewegen.
Und wenn du jetzt noch nicht genug von Clickbait hast, kannst du auch noch mal in diesem Tumblr vorbeischauen. Dort sind einige schöne Beispiele von Heftig & Co. gesammelt.
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