Was ich total gerne mache: Mit Kolleg*innen zusammen ihre digitalen Projekte ordnen und dann ein passendes Geschäftsmodel entwickeln. Meist steht ein Blog oder Podcast im Mittelpunkt, aber dann gibt es auch die über die Jahre dazu gekommenen Social-Kanäle, einen Newsletter und irgendwie eine Community. Das alles zu sortieren und jedem Kanal somit auch einen Zweck zu geben, ist für die Kolleg*innen immer ein wertvoller Moment. Auf einmal hat alles seinen Platz, die Arbeit ist klar definiert, man hat sich von einigen Dingen (endlich) getrennt oder vielleicht etwas neues (endlich) dazu genommen. Auch das Produkt ist klar und dessen Nutzen für die Community. Ich helfe, das alles von einer Flughöhe aus zu ordnen. Im Duo packt man das große Ganze. Vor ein paar Tagen hatte ich noch gedacht, das ist einer dieser guten Momente. Immer wieder. Sowohl für den Kollegen, als auch für mich.
Leser-Interaktionen
Tipps
Amy Webbs Trends 2024
Amy Webb hat vorgestern ihren jährlichen Trend Report auf der SXSW vorgestellt. Den gibt es in dieser Dropbox. Was ich mitnehme:
Nach Silicon-Based-Computing kommt Bio-Computing, dabei werden biologisch abgeleitete Moleküle (DNA, Proteine …) für digitale oder reale Berechnungen genutzt.
Sie bezeichnet die VisionPro auch als Gesichtscomputer. In einem Zukunftsszenario berechnen Supermärkte Preise individuell in Echtzeit, damit die Kunden das für sie maximale ausgeben. Man erkennt arme und reiche Menschen im Supermarkt an einem Gesichtscomputer. Wer sich erst Werbespots anschauen muss, um einen Rabatt für ein Produkt anzusehen, kann sich nicht so frei bewegen wie reiche Personen, die ihre Zeit ganz frei verwenden können.
Was mit Medien Minute für die Tagesschau
Ich teste gerade verschiedene Newsletter-Formate. Es können / müssen / sollen ja nicht immer diese Long-Reads sein. Hier ein Test des „Minuten“-Konzepts. Der Newsletter besteht aus sechs Gedanken, die sich jeweils in 10 Sekunden erschließen lassen. Je nach Themenlage kann man einen monothematischen Newsletter, einen gemischten oder sogar mit 6 unterschiedlichen Themen verschicken. So können Themen auch unterschiedlich gewichtet werden. Das hätte auch Potential für mehr als eine Ausgabe die Woche. Vielleicht einen zum Wochenstart am Montagmorgen, Mittwochmittag zur Mitte der Woche und Freitagnachmittag zum Checkout ins Wochenende. Hier wie die heutige Ausgabe aussehen würde:
Aus der Oscar-Nacht bleibt das Bild eines nackten Mannes. Mehr reden über das Photoshop-Foto von Kate Middelton. Was mit Medien schaut auf ein Rezept, das Medien Glaubwürdigkeit verleiht: Einfache Sprache.
📺 Ein Update für die Tagesschau
1️⃣ In einem sehr lesenswerten Interview mit DWDL.de erklärt Marcus Bornheim (erster Chefredakteur ARD-Aktuell), wie die Tagesschau sich verändert, um auf die geänderte Mediennutzung zu reagieren. Ziel ist es: Die Zuschauer*innen sollen künftig auf eine Tagesschau auf Augenhöhe treffen. Dazu gehört ein erweitertes Themenspektrum – wie etwa ein neues Album der Rolling Stones oder eine neuer Asterix & Obelix Comic-Ausgabe.
2️⃣ Der nächste Punkt ist Sprache auf Augenhöhe. Die 20-Uhr-Tagesschau wird künftig zwar nicht moderativ, dafür aber sprechsprachlicher werden. Die Nachrichten sollen so berichtet werden, wie die Zuschauenden diese auch beim Abendessen oder den Nachbarn erzählen würden.
3️⃣ Das aktuelle Studio ist schon zehn Jahre und die Beamer für die Projektionen werden bald nicht mehr hergestellt. Eine Projektgruppe arbeitet an einem Studio, in das die Tagesschau 2026 umziehen kann. Sie soll dann auch optisch auf Augenhöhe stattfinden. Ob der Tisch entfällt? Auf Tageschau-Zuschauende wirkt das Setting wie eine Predigt von der Kanzel.
👓 “Ich bin total dagegen, eine Revolution zu starten” bei DWDL.de
🤓 Bessere Texte, dank Fake News
4️⃣ Um einfache Sprache geht es auch in der heutigen Ausgabe von Anne-Kathrin Gerstlauers Newsletter TextHacks. Fake News erreichen viel mehr Menschen mit ihrer einfachen Sprache. Auch die, die sich von einer akademischen Sprache ausgeschlossen fühlen.
5️⃣ Interessante Studie: Eine Analyse der Sprache kann zu 92% erkennen, ob es sich um Fake News handelt. Eine andere Studie sieht einen kleinen Effekt, dass Menschen Medien mit einer einfache Sprache glaubwürdiger einstufen.
👓 “Was wir von Fake-News-Sprache lernen können” in TextHacks.
👂 Schreiben fürs Hören – auch für Podcaster
6️⃣ Beim Radio ist einfache Sprache übrigens schon seit Jahrzehnten fest verankert. Wir nennen es Schreiben fürs Hören. Kurze Sätze, aktiv formuliert, nur einen Gedanken pro Satz. In der heutigen Ausgabe des Newsletters “The Weekly Tweak” gibt es Tipps für bessere Podcast-Skripte.
👓 “Tweak #9: Write your script so you can read it” in The Weakly Tweak.
Wie findet ihr das Format?
Threads, die Zukunft von Social-Media ist dezentral und ein Popup-Newsletter
Seit einer Woche ist Threads auch bei uns in der EU verfügbar. Die einen lieben es, weil es sich wie das gute alte Twitter anfühlt. Die anderen halten Distanz, weil es eben wie das gute alte Twitter wahrgenommen wird. #textundso #wassollichda
Wie hältst du es mit Threads?
Was ich gelernt nach einer Woche Threads gelernt habe: Auch wenn die neue Meta-App als Twitter-Alternative auftritt, will Threads nicht die gesellschaftliche Rolle vom guten alten Twitter einnehmen.
Jesse Chen, Entwickler von Threads formuliert die Vision so: “Meine größte Hoffnung für Threads ist, dass es zum Zeitgeist des Internets wird. Es wird der Ort sein, an den wir gehen, wenn wir positive Gespräche über die neuesten kulturellen Ereignisse führen möchten. Es wird der Ort sein, an den wir gehen, um die neuesten Gespräche zwischen Creator oder zwischen anderen Personen, die uns interessieren, zu verfolgen.”
Mit dieser Vision im Blick, tickt Threads auch anders als Twitter:
- Es hat alle Funktionen, die man an eine text-basierte Austausch-App hat. Tatsächlich, der Ton ist mehr casual.
- Ist aber auch so angelegt, dass User ihre Inhalte über verschiedene Plattformen teilen können. Threads ist kein weiteres Silo, wie Facebook oder Instagram. Es erhält einen Anschluss an das Fediverse (Mastodon, WordPress, künftig auch Flipboard) – die Zeit der dezentralisierten sozialen Netzwerke ist angebrochen.
Es gibt viel zu entdecken. Ich habe deswegen einen neuen Pop-up Newsletter gestartet, um diese Entwicklung zu begleiten: “Style & Stitches” dreht sich um Threads und die dezentralisierte Social Media Welt. Hier ist die frische Ausgabe:
Mit dem EU-Start gibt es viel zu besprechen, deswegen gibt es gerade häufiger eine Ausgabe. Künftig wird es immer donnerstags eine Ausgabe geben. Was ihr erwarten könnt:
- Wir begleiten den Aufstieg oder Fall von Threads
- Wie nutzen Unternehmen, Medien oder Creator die Plattform erfolgreich
- Welchen Einfluss hat das Fediverse auf unser Social-Media-Handwerk
- Social-Strickmuster mit Tipps, Tools und Anregungen für die eigene tägliche Arbeit
Neugierig? Dann begleitet mich auf dieser Reise und lasst euch die neuen Ausgaben von “Style & Stitches” direkt in eure Inbox schicken:
Die ersten 100 Subscriber bekommen eine persönliche Willkommens-Mail von mir. 50 sind schon dabei, gar nicht schlecht – bisher habe ich hauptsächlich über meinen Threads-Account beworben.
Ach, und falls ihr auf Threads seid, schaut doch mal bei @dfiene vorbei und sagt Hallo.
Sind Newsletter und Podcasts die besseren Social-Media?
Worum es geht: Es gibt sie schon länger, als so manche gängigen Distributionswege (hello Vinyl 🤓). Die Zeiten der Massenproduktion sind vorbei (hello Vinyl 🤓). In sind persönliche Ansätze, liebevoll kuratierte Formate und leidenschaftliche Zielgruppen (hello Vinyl 🤓). Sind Newsletter & Podcasts die besseren sozialen Netzwerke?
Der Hintergrund: In einer Diskussion* mit Herrn Pähler über einen „interaktiven“ Podcast von Funk, widersprach ich. es sei ein interaktives Format, wenn man lediglich via Instagram den Fortgang der folgenden Episode bestimmen kann.
Podcasts & Newsletter als Social Media? Was dafür spricht: Obwohl beide Formate ziemlich old school sind, schaffen sie das, was viele Medienschaffende von sozialen Netzwerken erhoffen: Aus Usern wird eine Audience oder sogar eine Community.
Was auch dafür spricht: In einem Workshop letztens noch gemappt — Instagram und good old Facebook haben aus Publisher Sicht mehr mit Newsletter & Podcasts gemeinsam, als TikTok.
Was dagegen spricht: Beide Formate sind so starr wie Medien aus der Massenzielgruppen-Zeit: Warum bestimmt der Publisher die Uhrzeit der neuen Ausgabe — und nicht die Nutzungsvorliebe der Leser*innen und Hörer*innen? Warum sind die technische Voraussetzungen so, dass bisher niemand bei Content-Formaten eine echte Personalisierung anbietet?
Gedanke für die neue Woche: Wie können wir Newsletter und Podcasts noch stärker social denken? Ich glaube: Der nächste Schritt wäre eine echte Personalisierung. Aber wie kann die aussehen — sowohl inhaltlich, als auch technisch? Darüber denke ich zum Start in die neue Woche nach, lasst uns doch dazu in den nächsten Tagen austauschen*
*Links
fiene & der 11. september 2001

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Nach 20 Jahren schreibe ich das erste Mal meine Erinnerungen an den 11. September 2001 auf. Es war auch für mich ein prägendes Erlebnis. Mit den Anschlägen in den USA wurden auch Ereignisse ausgelöst, die meinen Weg in die Medien betrafen. Aber das ist nicht die Geschichte, die ich heute erzählen möchte.
Vor 20 Jahren war ich am Heiligen Meer, was im Nachhinein nach einem ungewöhnlichen Ort im Kontext der Auseinandersetzung zwischen den USA und Al-Qaida klingt. Es war auch ein ungewöhnlicher Aufenthalt. Das Heilige Meer ist ein Naturschutzgebiet in der Nähe von Ibbenbüren im Tecklenburger Land, ganz im Norden von Nordrhein-Westfalen. Mit meinem Bio-Leistungskurs haben wir einen Ausflug in eine Naturschutzstation gemacht, um zu forschen. Es war für die Besucher*innen selbst im Vor-Smartphone-Zeitalter ein abgeschiedener Ort: Kein Fernseher, kein Radio, kein Internet-Computer — ich hatte eins der wenigen Handys dabei.
Es war ein Ort der Ruhe. In dem Alter schätzten meine Mitschüler*innen und ich das nicht wirklich. Im Nachhinein waren wir aber froh. Als die ersten Flugzeuge in die Gebäude des World Trade Centers krachten, befanden wir uns auf dem Großen Heiligen Meer, das ist der größte Binnensee in NRW. Auf kleinen Booten haben wir Wasserproben genommen, um Einzeller später im Labor zu untersuchen.
Zurück im Labor erreichten uns erste Anrufe und SMS. Unser Biolehrer, für sein Alter streng aber herzlich, kritisierte die Unruhe. Ich durchbrach die Unruhe und berichtete von den ungewöhnlichen Nachrichten, die uns erreichten. Ziemlich schnell merkten wir, dass dies eine Situation ist, in der wir uns noch nie befanden. Als junges Grundschulkind erinnere ich mich noch, wie in meiner Familie über Wochen die Wiedervereinigung Thema war. Ich erinnere mich auch noch genau, wie mein Vater später während des Golfkriegs jeden Morgen CNN einschaltete, um von den neusten Entwicklungen aus der Nacht zu erfahren. Die schwarz-grünen Nachtaufnahmen habe ich noch heute im Kopf. Aber dieses Ereignis am 11. September 2001 war anders: Es kam plötzlich und mit voller Wucht. Das erschütterte sogar die Ruhe im Heiligen Meer.
Ein Internet-Bekannter von einem eigenen Online-Radio (ja, das war damals eine Sache) hatte sein erstes Praktikum bei einem Radiosender. Er rief mich an, um mir per Telefon das Radioprogramm von Antenne Bayern durchzustellen. Die ganze Gruppe versammelte sich irgendwann um mein Handy, um die neusten Entwicklungen zu hören. Wie genau der Nachmittag weiterging, weiß ich nicht mehr. Unser Lehrer muss wohl mit der Schule telefoniert haben, wie wir jetzt verfahren sollten. Auf jeden Fall hatte er eine gute Idee: Am Abend machten wir einen Fußmarsch in die nächste Pizzeria, denn dort gab es einen Fernseher. Für eine begrenzte Zeit schauten wir zu und führten Gespräche, um die Bilder zu verarbeiten.
Der Weg zurück zur Naturschutzstation wurde zur Nachtwanderung. Während tags die Ruhe das Heilige Meer prägte, war es nachts die Dunkelheit. Mit den wenigen Handys leuchteten wir uns den Weg zurück. Was für ein Bild für das, was an dem Abend der Welt bekannt war. Und für das, was sich noch alles ereignen würde.
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Berlin und New York habe ich erst kennengelernt, als die Städte sich neu erfunden haben. Wenige Jahre, nach den für sie prägendsten geschichtlichen Ereignissen. Nach der Wiedervereinigung, nach dem 11. September. In beiden Fällen habe ich erst dann die emotionale Tragweite verstanden. Als ich 2005 und 2006 Menschen kennenlernte, die ich sehr schätze, berichteten sie in ruhigen Momenten mit Tränen in den Augen von ihrem 11. September. Wie sie auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge standen und die aus Manhattan rausströmenden Menschen versorgten. Wie eine Besuchergruppe an jenem Morgen eine Tour durch das WTC verpasste, weil sich einige Teilnehmer verspäteten. Wie die Lücke in der Skyline sie jeden Tag an diesen Tag zurück erinnert.
Als Jahre später die neuen Türme am World Trade Center eröffnet wurden, hatte ich das Gefühl, nur im Ansatz zu ahnen, welche Bedeutung die neuen Bauten für viele New Yorker haben. Die beiden Memorial-Brunnen am Ground Zero besuche ich seitdem sehr gerne. Ich empfinde ihn als einen geschmackvollen Ort. Mitten in dieser hektischen Stadt ist dies ein Ort der Ruhe. Ich muss dann auch immer an das Heilige Meer zurückdenken.
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Monate später, zum Abi, sagte mein Biologie-Lehrer: „Daniel, ich werde nie vergessen, dass ich von dir zum ersten Mal von diesem Ereignis gehört habe.“ — Ein Satz, den ich seit dem in meinem Job noch öfter gehört habe. Aber das ahnte ich da noch nicht.
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